Schließen des Sommer-Winter-Gaps ist möglich
Wind, Biomasse und Sektorkopplung ermöglichen eine nachhaltige, effiziente und sichere Energieversorgung
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EVN Vision für den Weg in eine nachhaltige Energiezukunft
Die EVN ist ein führendes, internationales, börsennotiertes Energie- und Umweltdienstleistungsunternehmen. Als solches möchten wir eine aktive Rolle bei der Transformation des Energiesystems spielen und beschäftigen uns deshalb intensiv mit der Frage, wie, wann und auf welchem Weg eine erneuerbare Energiezukunft erreicht werden kann. Um kostenoptimale Zielpfade zu entwickeln und eine gute Entscheidungsgrundlage zu erlangen ist ein datenbasierter Ansatz sowie die Berücksichtigung des Ist-Zustandes unabdingbar. Mit Unterstützung des zusammEn2040 Projektteams und der weitreichenden Expertise der EVN-ExpertInnen wurde eine ambitionierte Systemvision für den Weg zur Dekarbonisierung entwickelt, die auf einem starken Ausbau von erneuerbaren Energieträgern, vor allem Windenergie, Sektorkopplungs- und Speichertechnologien aufbaut.
Zentral für das Erreichen eines funktionierenden und vollständig dekarbonisierten Energiesystems ist unter anderem die Frage nach der saisonalen Verlagerung von Energie. Dabei geht es zum Beispiel darum, wie der Strom aus Photovoltaikanlagen, der vorrangig in den Sommermonaten produziert wird, möglichst effizient genutzt oder nach Umwandlung auch als andere Energieträger genutzt werden kann. Die Frage, wie der Sommer-Winter-Gap effizient, also mit minimalen Umwandlungsverlusten geschlossen werden kann, stand im Zentrum unserer Untersuchungen.
Vor diesem Hintergrund wurden folgende zentrale Thesen im Projektfortlauf entwickelt, die unter Verwendung des Energiesystemmodells der APG quantifiziert und bestätigt werden konnten:
Ergebnisse auf einen Blick
Für eine vollständige Dekarbonisierung ist ein massiver Ausbau an Erneuerbaren in Österreich notwendig. Eine gute Kombination von Sonnen- und Windenergie führt zu einer gleichmäßigeren Deckung der Stromnachfrage. Vor allem in den kälteren Wintermonaten, wo PV geringe Erzeugungskapazitäten aufweist, kommt Windkraftanlagen eine wichtige Bedeutung zu, da so Kosten für die zusätzliche Umwandlung von Strom in andere Technologien gespart werden können.
Die zunehmende Volatilität unserer Energieerzeugung bei starker Integration von PV und Wind und die sinkende Verfügbarkeit regelbarer Kraftwerke verlangt eine Ausweitung der Flexibilitätsoptionen. Hier können Sektorkopplungs-Technologien wie beispielsweise Power-to-Heat das Spitzenlastmanagement unterstützen. Speichertechnologien wie Wasserspeicher, Batterien, Methan- und Wärmespeichern wird auch eine zentrale Rolle im System zukommen. Ebenfalls wesentlich ist die internationale Kooperation, um die Überschüsse und Knappheiten in den verbundenen Regionen optimal ausgleichen zu können.
Wasserstoff wird hauptsächlich als Rohstoff für Industrieprozesse eingesetzt.
Um den Einsatz von kostbarer und begrenzt verfügbarer Biomasse möglichst effizient zu gestalten und den “Sommer-Winter-Gap” zu überbrücken, sollen Biomasse und Biogas unter der Prämisse „Kein Feuer im Sommer“ auf die Nutzung im Winter beschränkt werden. Im Sommer sollen effiziente Stromtechnologien und Geothermie den Strom- und Wärmebedarf decken. Mit dieser Strategie ist es möglich den überwiegenden Teil des „Sommer-Winter-Gaps“ in Österreich zu schließen.
Biogas kann durch die Verdrängung von fossilem Erdgas und den Einsatz in schwer-elektrifizierbaren Sektoren einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Um das CO2-Einsparungspotenzial zu maximieren, ist es notwendig die Produktion von Biogas schon früh hochlaufen zu lassen.
Lokal erzeugter Strom aus PV stellt eine wertvolle Ressource zur Versorgung des eigenen Haushalts dar. Die Überschusseinspeisung insbesondere zur Mittagszeit bedingt aber dramatisch hohe Investitionen ins Stromnetz, obwohl diese Energie zu dieser Zeit ohnehin auch von niemand anderem verwendet werden kann.
Besser ist es, die lokal erzeugte Energie auch lokal zu nutzen; dies ist möglich über Flexibilitäten wie z.B. Ladestrom, Warmwasser oder Batteriespeicherung. Dadurch kann die Einspeiseleistung auf ein Minimum begrenzt werden. So bleiben die Kosten im System gering und die Energie wird zum maximalen Nutzen eingesetzt.
Der Umbau des Energiesystems ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Die dafür notwendigen zeitlichen, materiellen und personellen Ressourcen sind erheblich. Daher ist es notwendig, rasch zu beginnen und gerade in den „einfacheren“ Sektoren wie Raumwärme und Mobilität deutlich an Geschwindigkeit zuzulegen.
Bei hoch ambitionierten Zielen und einem Umsetzungsstau wären sonst teuerste Ersatztechnologien wie Direct Air Capture oder Ähnliches zur Erreichung der Ziele als Interimstechnologien erforderlich, was aus Kosten- und Ressourcengründen unbedingt vermieden werden sollte.
Annahmen für die EVN Systemvision
Dieses Szenario ist nur dann realistisch, wenn die richtigen regulatorischen, wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen entwickelt und implementiert werden. Auf diesem Weg ist es sehr wichtig, die Bevölkerung miteinzubeziehen, um eine nachhaltige Veränderung des Energiesystems zu schaffen.
Wir haben bei unserem Modell keinerlei Vorgaben zur Veränderung von Verhaltensweisen der Menschen angestellt. Dies haben wir deshalb nicht getan, weil es unserer Meinung nach nicht Aufgabe eines Energieversorgungsunternehmens ist, Vorgaben für den Lebensstil unserer Kundinnen und Kunden zu machen. Unsere Aufgabe ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Vorgaben der Politik im Bereich der Dekarbonisierung der Gesamtwirtschaft umgesetzt werden können. Und dass dabei die für die EVN zentralen Säulen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Leistbarkeit uneingeschränkt erhalten bleiben.
Die Ergebnisse der modellbasierten Untersuchungen im Rahmen von zusammEn2040 im Detail
Auf Basis der von der EVN getätigten Annahmen und der folglich eingegebenen Modellparameter berechnet das Energiesystemmodell (ESM) ein „optimales“ Energiesystem am Pfad bis 2050. Die wichtigsten Erkenntnisse werden hier dargestellt:
Fernwärmeproduktion und -verbrauch
Biomasse bietet den Vorteil, dass sie gut lagerbar ist und daher ein geeignetes Medium darstellt, um den “Sommer-Winter-Gap” zu schließen. In einem kostenoptimalen Gesamtsystem wird die Nutzung von kostbarer Bioenergie (Biomasse in Heizwerken oder Biomasse KWK Anlagen) in den Winter verschoben. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 1 anschaulich dargestellt. Im Sommer werden die geringeren Fernwärmebedarfe in Niederösterreich vor allem durch eine Kombination aus Power-to-Heat Anlagen (Wärmepumpen) und Wärmespeicher gedeckt. Geothermie leistet das ganze Jahr einen Beitrag zur Fernwärmeproduktion. Flexible Gas-KWK sowie mit Strom oder Gas betriebene Spitzenlastkessel werden zusätzlich benötigt, um die Fernwärmeversorgung auch in Zeiten von Strommangel zu sichern. Die grafische Darstellung zeigt auch die Wichtigkeit von Sektorkopplungs-Technologien wie Power-to-Heat, um den gewonnen Strom aus erneuerbaren Quellen systemdienlich über das Jahr, aber auch in Spitzenlastzeitpunkten einsetzen zu können.
Biomasse für die Fernwärmeerzeugung im Winter in Kombination mit Geothermie und Kraftwerken
Fernwärmeproduktion und Fernwärmenachfrage in NÖ in MWh Wärme
Stromproduktion und –verbrauch
Um den stark steigenden Strombedarf zu decken, ist ein massiver Ausbau an erneuerbaren Produktionskapazitäten notwendig. Das Szenario zeigt, dass – bei Ermöglichung des Ausbaus aus politischer, regulatorischer und genehmigungstechnischer Sicht - in einem europäisch integrierten System auch ein sehr starker Zubau von erneuerbaren Kapazitäten in Österreich notwendig sein wird: Bei vollständiger Dekarbonisierung sind laut den Modellierungsergebnissen in Österreich 27 GW Wind und 25 GW PV installiert. Niederösterreich spielt hier eine zentrale Rolle und stellt ca. die Hälfte der gesamtösterreichischen Windkapazität bereit. Dieses ausgeglichene Verhältnis der beiden Technologien sorgt für eine kostenoptimale Deckung des Strombedarfs zu jedem Zeitpunkt. Auch Pumpspeicher- und Laufwasserkraftwerke spielen weiterhin eine bedeutende Rolle.
Eine Kombination von Wind- und PV-Stromerzeugungskapazitäten verbessert die kosteneffiziente Dekarbonisierung
PV- und Windproduktionskapazitäten in Österreich in GW
Sektorkopplungs- und Speichertechnologien
Durch die Modellierung der gesamten Wertschöpfungskette von Primärproduktion bis Endverbrauch, über alle Umwandlungen und Speicherungen und für alle Energieträger, kann mit dem Energiesystemmodell gezeigt werden, dass Sektorkopplungs- und Speichertechnologien eine zentrale Rolle einnehmen, um Stromproduktionsüberschüsse aus Windspitzen effizient zu verwerten und die Stromnachfrage auch in Zeiten mit geringer Erneuerbaren-Erzeugung zu decken. Unterschiedliche Möglichkeiten der Flexibilität müssen also systemdienlich eingesetzt werden, um den erzeugten Strom aus Wind ideal zu nutzen. Die Grafik zeigt, dass vor allem in den kälteren Monaten Windenergie ideal für Power-to-Heat eingesetzt werden kann. Power-to-Gas, Wärme- und Stromspeichern kommt ganzjährige Relevanz zu und trägt wesentlich zum Spitzenlastmanagement bei.
Ein Teil des erzeugten Stroms aus Erneuerbaren (v.a. Windenergie) wird auch exportiert und kommt der gesamteuropäischen Integration zugute. Im Gegenzug wird auch etwa ebenso häufig Strom importiert, so dass sich über das Jahr eine weitgehend ausgeglichene Bilanz ergibt.
Durch die Kooperation mit den Nachbarländern und die hohe Flexibilität in der Energienutzung können die Umwandlungsverluste minimal gehalten und so ein effizientes und kostengünstiges Gesamtsystem geschaffen werden.
Elektrolyse spielt eine wichtige Rolle als Sektorkopplungs-Technologie. Die Dekarbonisierung der österreichischen Industriesektoren ist mit einer hohen H2-Nachfrage als Rohstoff verbunden. Dafür ist ein großer Aus- bzw. Umbau der derzeitigen Infrastruktur nötig.
Vielfältige Flexibilitätsoptionen für Umgang mit hoch volatilen Erneuerbaren benötigt
Vergleich von Erzeugung aus Windkraft und Einsatz von Flexibilitätsoptionen (P2G, P2H, Speicher, Export) im Dekarbonisierungsjahr in AT in MWh Strom
CO2-Einsparung durch Biogas
Durch einen frühen Hochlauf der Biogasproduktionskapazitäten können signifikante Mengen an CO2 eingespart werden. In der modellierten Energiesystemvision der EVN werden kumuliert bis 2050 rund 230 TWh an Biogas in Österreich produziert und eingesetzt. Dies entspricht in etwa dem dreifachen Jahresverbrauch an Erdgas aus dem Jahr 2023 (75 TWh). Diese Menge an Biogas spart gegenüber fossilem Erdgas bis 2050 ca. 45 Mt an CO2 ein. Im Dekarbonisierungsjahr können somit 12 TWh des nicht-elektrifizierbaren Gasbedarfs aus Industrieprozessen (rd. 17 TWh) mit lokal produziertem Biogas gedeckt werden.
Förderung von Biogas trägt durch den frühen Einsatz von fossilem Erdgas zur Dekarbonisierung bei
Entwicklung der Biogasproduktion in Österreich in TWh
Lokale Nutzung von lokal erzeugtem Strom
Lokal erzeugter PV-Strom stellt einen wertvollen Beitrag zur Energiezukunft dar, vor allem wenn er auch lokal genutzt wird. Durch entsprechende Speicherelemente wie Batterien, E-Mobilität und Warmwasser kann dies optimal gewährleistet werden. Damit wird die Einspeisung von Leistungsspitzen, die hohe Netzkosten verursachen und nur schwerlich nutzbar sind, weitgehend vermieden. Im folgenden Beispiel ist gut ersichtlich, dass bereits ohne E-Auto die Einspeiseleistung ohne Energieverlust auf etwa 1/3 der Spitzenleistung begrenzt werden könnte.
Lokale Nutzung von lokal erzeugtem Strom spart Netzkosten
Beispielhaushalt mit 6 kWp Warmwasser und PV-Dachanlage mit Batterie an einem Sommertag in kW Strom
Um das Bewusstsein der Bevölkerung diesbezüglich zu schaffen, müssen die richtigen regulatorischen, wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen entwickelt und implementiert werden. Klare und effiziente Genehmigungsprozesse für verschiedene Technologienarten, Anreize wie einfache und realitätsbezogene Stromtarife für Endkunden und die Entwicklung von automatisierten und benutzerfreundlichen DSM-Tools sind nur ein paar Beispiele, wo wir großen Bedarf identifiziert haben.