Voraussetzungen für das Gelingen der Energiewende
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen - wenn nicht die Größte - unserer Zeit
Die bereits heutzutage erlebbaren Auswirkungen dieser menschengemachten Veränderungen lassen vermutlich nur erahnen, welche dramatischen Auswirkungen und Folgewirkungen auf uns – aber noch mehr auf unsere Nachfolgegenerationen – zukommen werden.
Die politischen Bestrebungen, aktiv den Klimawandel zu bekämpfen, sind auch in Europa und Österreich fest verankert. Europa hat sich entsprechend zum Ziel gesetzt, bis 2050 den Energieverbrauch auf nachhaltige und regenerative Ressourcen umzustellen und somit CO₂-Emissionen zu vermeiden. Österreich hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, dies bereits bis 2040 umzusetzen.
Neben ökologischen Aspekten spielen aber auch die aktuell sehr hohen Importabhängigkeiten der europäischen Länder eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Dem Bestreben nachhaltige und heimische Ressourcen zu verwenden, wird durch politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten von Ländern mit zumindest fragwürdigen politischen Strukturen vermehrt Nachdruck verliehen.
Diese Verringerung der Importabhängigkeit, in Kombination mit der Ökologisierung des Energiesystems, stellt unsere Gesellschaft vor riesige Herausforderungen. Nichtsdestotrotz müssen wir dies als Chance begreifen, um unsere Gesellschaft wirtschaftlich und politisch resilienter zu gestalten. Der Schutz des Klimas und positive Umweltauswirkungen sind mit den wirtschaftlichen und politischen Effekten Voraussetzung dafür, dass wir unseren Kindern eine lebenswerte Heimat hinterlassen.
Insofern sind diese Herausforderungen als generationenübergreifendes Projekt zu betrachten. Diese langfristige, technisch komplexe, kostenintensive und gesellschaftlich höchst relevante Aufgabe erfordert daher eine entsprechende Koordinierung und professioneller Unterstützung aller betroffenen Entitäten.
Wichtig ist dabei, nicht nur den Fokus auf heute bekannte Technologien zu setzen, sondern bereits heute (im industriellen Maßstab) noch nicht marktreife, vielversprechende Technologien (z.B. unterschiedliche Technologien für kurz- bzw. langfristige Speicher für Strom, Gas und Wärme) weiterzuentwickeln. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen!
Die Dekarbonisierung des Energiesystems politisch außer Frage stellen
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Dafür braucht es einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens: Die Dimension der Maßnahmen und Investitionen muss der Dimension der Herausforderung angemessen sein! Derzeitige Szenarien zeigen einen Strombedarf in 2040 von bis zu 160 TWh – eine Erhöhung um den Faktor 2 - 2,5 gegenüber dem heutigen Bedarf.
Versorgungssicherheit weiterhin auf hohem Niveau gewährleisten
Das hohe Maß an Versorgungssicherheit muss weiterhin gewährleistet werden. Dafür braucht es ausreichend Netzinfrastruktur, eine tiefe Integration in den europäischen Energiemarkt und ein attraktives Umfeld für innovative Technologien (Batteriespeicher, Power-to-X etc.). Die Netzbetreiber müssen die nötigen Ressourcen und rechtlichen Voraussetzungen bekommen, damit vorausschauende Investitionen in die Netze getätigt werden können und optimierter Netzbetrieb sowie die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet werden kann.
Koordinierung der Aktivitäten, um Ineffizienzen zu vermeiden
Die Energiewende kann nur gemeinsam gelingen – und nur dann, wenn die richtigen Investitionen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort getätigt werden. Um das sicherzustellen, bedarf es einer gesamtheitlichen Planung, in der alle Sektoren (Verkehr, Industrie/Gewerbe, Haushalte, etc.) berücksichtigt werden. Hierfür sollen kostenoptimale Szenarien erstellt werden, wodurch sichergestellt wird, dass die getätigten Investitionen einzelner Akteure den größten gesellschaftlichen Mehrwert entfalten. Gleichzeitig soll so ein transparenter Prozess darüber geschaffen werden, welche Kosten von welchen Sektoren getragen werden und welche Meilensteine zu erreichen sind. Hierfür bedarf es einer zentralen Koordinierung mit ausreichender Fachkompetenz.
Investitionen in erneuerbare Energieträger und die dazu nötige Infrastruktur für Strom und Wasserstoff beschleunigt und vorrangig ausbauen
Der Ausbau von erneuerbaren Energieträgern und Infrastruktur für Strom und Wasserstoff muss beschleunigt werden. Derartige Projekte sollen im „überwiegenden öffentlichen Interesse“ geschehen. Energiewende-Vorhaben sollen in Beschwerdeverfahren privilegiert werden. Im Allgemeinen ist der Bürokratieabbau zur rascheren Genehmigung und Verfahrensbeschleunigung voran zu treiben und parallel müssen die Behörden mit genügend Ressourcen und Mitteln ausgestattet sein, um die steigende Anzahl von Anfragen adäquat bearbeiten zu können. Die aktuelle Gesetzeslage erfordert einen sehr dringenden Anpassungsbedarf, damit die Energiewende auch zeitgerecht umgesetzt werden kann.
Finanzierung sicherstellen
Das dekarbonisierte Energiesystem der Zukunft weist eine völlig veränderte Kostenstruktur auf. Importkosten für fossile Energieträger entfallen. Gleichzeitig sind hohe up-front Investitionen in die Energieinfrastruktur nötig: die Umstellung des Energiesystems ist in vielen Bereichen eine Umstellung von einem OPEX zu einem CAPEX dominierten System. Daher muss die Finanzierung der Infrastruktur durch entsprechende Kapitalverzinsung und Risikovergütung sichergestellt werden.
Tarifstrukturen neu denken
Durch die veränderte Kostenstruktur (→ Umstellung in vielen Bereichen zu einem Fixkosten basierten Energiesystem) und geänderte Netznutzung (→ z.B. Sektorkopplung) müssen in Zukunft die Tarifsysteme neu gedacht werden. Dafür benötigt es einen engen Schulterschluss der Sozialpartner, damit die Kosten fair verteilt werden und niemand zurückgelassen wird.
Erhalt und Ausbau eines attraktiven Wirtschaftsstandortes durch kompetitive Energiepreise
Durch den raschen und unbürokratischen Ausbau von erneuerbaren Energiequellen und der dazugehörigen Infrastruktur kann das Energiesystem der Zukunft – bestehend vorrangig aus PV, Wind und Wasserkraft − de facto zu null-Grenzkosten betrieben werden. Gleichzeitig sind Investitionen in die heimische Erzeugung von Strom, Wasserstoff und Biomethan Investitionen in die heimische Wertschöpfung. Diese positiven Effekte der Energiewende sollen direkt bei den Verbraucher:innen und der Wirtschaft ankommen, sodass der Standort gestärkt wird.
Demokratisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung von Beginn an mitdenken
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn alle potenziellen Hebel in Bewegung gesetzt werden. Die Digitalisierung ermöglicht völlig neue Beziehungen zwischen den Akteuren in der Energiewirtschaft. Die enormen Potenziale von Stromerzeugung aus PV und Wind können dezentral auf Ebene von Haushalten, Industrie/Gewerbe, Gemeinden, etc. optimal genutzt werden, wodurch eine Demokratisierung des Energiesystems vollzogen wird. Energiegemeinschaften und Bürgerenergiegemeinschaften sind wichtige wirtschaftliche Instrumente, die weiterentwickelt werden müssen. Wesentlich für eine erfolgreiche Demokratisierung sind automatisierte und nutzerfreundliche Anschlussprozedere, insbesondere für Erzeugungsanlagen im Niederspannungsbereich.
Sektorkopplungs- und Speicheranlagen
Großelektrolyseure zur Umwandlung von Stromüberschuss in (saisonal) speicherbaren Wasserstoff sowie kurzfristige Speicheranlagen (z.B. Batteriespeicher) sind unabdingbarer Bestandteil eines zukünftigen gekoppelten Energiesystems (Strom, Gas, Wärme, Mobilität). Die Integration von erneuerbarer Energie in das Energiesystem kann durch die Umwandlung von erneuerbarem Strom in Wasserstoff oder durch die Speicherung in Batterien deutlich beschleunigt werden, da dadurch Stromspitzen besser eingegliedert und Anschlussleistungen effizienter ausgenutzt werden können. Es muss politisch und regulatorisch sichergestellt werden, dass Investitionen in Elektrolyseanlagen und Transportinfrastruktur für Strom und Wasserstoff rechtzeitig durch Marktteilnehmer und Netzbetreiber getätigt werden. Derzeit existiert jedoch keine österreichische Speicherstrategie und die rechtlichen Rahmenbedingungen verhindern zusätzlich den Aufbau notwendiger Speicherkapazitäten.
Abgeleitet aus diesen Forderungen, schlagen wir einen Aktionsplan vor:
Die Sozialpartner, als wesentliche Vertreter unserer Gesellschaft, müssen einen Konsens schaffen über die zu erreichenden Meilensteine (Ziele des EAG bis 2030 und vollständige Dekarbonisierung 2040) der Energiewende und so der Politik die nötige Unterstützung geben, um die gesetzlichen und regulatorischen Voraussetzungen zu schaffen.
Es benötigt eine gemeinsame Koordinierung für die gesamte Energieinfrastruktur (Strom, Wärme, Methan, Wasserstoff, Mobilität) und Wertschöpfungskette (Erzeugung, Speicher, Transport, Verbrauch) mit ausreichend Fachkompetenz. Infrastrukturbetreiber und -bereitsteller sowie die Forschung müssen hierbei eine zentrale Rolle spielen.
Erstellung einer volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse der Energiewende auf wissenschaftlicher Grundlage, um eine gemeinsame Basis für Diskussionen zur Finanzierung und möglichen Tarifmodellen zu schaffen.
Forcierung von Aus- und Weiterbildung von benötigten Facharbeitskräften sowie Sicherstellung des Wissenstransfers zwischen Forschung, Innovation, Praxis und den zuständigen Behörden.
Sicherstellung, dass der Umbau des Energiesystems kostenoptimal erfolgt, damit die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft erhalten bleibt und Strafzahlungen auf europäischer Ebene (CO2-Bepreisung) vermieden werden.
Um Klimaneutralität bis 2040 in Österreich zu erreichen, müssen in 17 Jahren massive Umbauarbeiten im Energiesystem geleistet werden. Aktuell benötigen Investitionen in einzelne Leitungsgroßprojekte solche Zeiträume. Es besteht dringender Handlungsbedarf!